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Zwischen Enthusiasmus und Erschöpfung: Ein Bericht über ein nicht ganz alltägliches Überset-zungsprojekt

Elke Eisenschmidt,

Entwurf der Kirche in Rørvik

Die kräftezehrendsten Aufträge sind manchmal die erfüllendsten. Weil man nicht nur als Übersetzer, sondern auch als Mensch und als Problemlöser gefordert wird. Und weil man zum Kunden eine langfristige und starke Beziehung auf Augenhöhe aufbaut.

Im Sommer und Herbst 2013 nahm der Dresdner Architekt Gerd Priebe an einem Entwurfswettbewerb für die neue Kirche in Rørvik, Norwegen teil. Der Wettbewerb und die Präqualifizierung fanden auf Norwegisch statt, also musste eine fachlich versierte und belastbare Übersetzerin her. Diese Rolle wurde mir zuteil.

Die Präqualifizierung lief reibungslos. Insgesamt 17 Architekturbüros bewarben sich für den Entwurfswettbewerb. Gerd Priebe Architects and Consultants (GPAC) schaffte es unter die fünf Bewerber, die ausgewählt wurden. Nach einer Ortsbegehung, zu der die Architekten (aber leider keine Übersetzer/Dolmetscher) eingeladen waren, ging es im Oktober und November an die Entwurfsplanung. Da die Entwürfe anonym eingereicht werden mussten und GPAC der einzige ausländische Teilnehmer war, waren die Ansprüche an die Übersetzung besonders hoch. Umso zufriedener war ich mit dem Ergebnis.

Um die Bearbeitung der Aufgabe zu ermöglichen, musste zunächst das Raum- und Funktionsprogramm aus dem Norwegischen übersetzt werden. Außerdem liefen auch alle Rückfragen und die gesamte E-Mail-Korrespondenz mit dem Auslober über mich. Der fertige Entwurf bestand dann aus der Beschreibung der Kirche - in Form einer erzählten Führung durch das Gebäude und die Außenanlagen -  sowie aus der Auflistung des Planerteams, der Kostenschätzung, dem Terminplan, den Zeichnungen und einer Entpackungsanleitung für ein nach Norwegen gesandtes Modell.

Die Zeit war recht knapp bemessen: Als ausländischer Teilnehmer hat man natürlich dieselbe Abgabefrist wie die norwegischen Mitbewerber, hat aber als zusätzlichen Zeitaufwand die Übersetzung und eine längere Postlaufzeit. Entsprechend kam ich zeitweise auch an die Grenzen meiner Belastbarkeit. Trotzdem haben wir alles geschafft. Selbst ein Lektorat durch einen norwegischen Muttersprachler haben wir noch untergebracht.

Nachdem unsere Unterlagen eingereicht waren, wurde es noch einmal richtig spannend. Herr Priebes Entwurf wurde bereits bei der ersten öffentlichen Vorstellung der Entwürfe zum absoluten Publikumsliebling. Am nächsten Tag titelte die Lokalzeitung Namdalsavisa unter einem großen Foto, auf dem sich die Menschen um den Entwurf von GPAC scharten: „Wird das Rørviks neue Kirche?” Die Abstimmung auf der Internetseite der Zeitung war ebenfalls unmissverständlich. Auch die Mitarbeiter der Kirchengemeinde sprachen sich ganz offen für GPACs Entwurf aus. Die Jury allerdings kam nach drei Ganztagessitzungen nur zu einer Zweitplatzierung „unseres” Entwurfes. Schade! Ich wäre gern zur Kircheneröffnung angereist und hätte mich auch angeboten, bei der Feier als Gastsängerin im Chor mitzusingen...

Eine Beschreibung des Entwurfsprojektes ist auf der Website von GPAC zu finden: https://gpac.de/projects/kirche-roervik-norwegen/.

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